Bedeutung der Naturverbundenheit für Mensch und Umwelt

Geheimnis der Niddaquelle: Magische Momente in der wildromantischen Vulkanregion Vogelsberg

Es gibt Orte, die üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf uns aus. Für Fliegen ist das vielleicht der pralle Hintern einer Kuh. Für mich ist solch ein Ort die Vulkanregion Vogelsberg. In diesem Beitrag erzähle ich ausführlich von meiner Wanderung zur Niddaquelle und von den fast magischen Momenten, die ich dort erlebt habe.

Übersicht:

Im Osthessischen Bergland, genauer gesagt im Geopark Vulkanregion Vogelsberg, entspringt die Nidda. Sie ist ein kleiner Fluss, der bei Schotten den Niddastausee füllt und nach 90 km Fließstrecke bei Frankfurt-Höchst in den Main mündet. Mein besonderes Interesse gilt dem Oberlauf von der Quelle bis zur Ortschaft Rudingshain. Dort fließt die Nidda als natürlicher Gebirgsbach durch eine wildromantische Landschaft mit einem Höhenunterschied von etwa 300 m. Lass mich dir nun von meiner Wanderung zur Niddaquelle erzählen.

Wanderung zur Niddaquelle durch die Wildnis des Vogelsbergs

Es war ein wunderschöner Samstagmorgen im Juni. Die Sonne lachte schon vom Firmament und die Wetterfrösche prophezeiten Temperaturen von 29 Grad. Ich saß mit meiner Frau am Frühstückstisch. Wir überlegten, wie wir diesen verheißungsvollen Tag verbringen sollten. Während mir die Abenteuerlust in die Beine kroch, wollte mein Schatzi lieber gemütlich im Garten entspannen. Kurzum einigten wir uns darauf, dass jeder seinen Vorlieben nachgehen sollte. Ich entschied mich für eine Wanderung zur Niddaquelle.

Ich packte meine Ausrüstung ins Auto und fuhr schnurstracks in den Vogelsberg. In Rudingshain angekommen, parkte ich auf einem versteckten Waldparkplatz. Ich stieg aus, streckte mich und hob die Arme in die Luft, als wollte ich das Laub der alten Buchen über mir beiseite schieben.

Der Überfall aus dem Hinterhalt

Die Vögel zwitscherten ein wunderschönes Begrüßungslied und nur wenige Meter von mir entfernt plätscherte die Nidda. Die würzig duftende Waldluft stieg mir in die Nase. Ich atmete mehrmals tief durch und ließ die ersten Eindrücke auf mich wirken. Gerade wollte ich meinen Rucksack schultern, als sich wie aus dem Nichts das „Fliegende Empfangskomitee” auf mich stürzte.

Die Bremsen, eine energische Stechfliegenart, deren Stiche die Haut dick anschwellen lassen und unangenehm jucken, hatten es auf mein kostbares Blut abgesehen. Wie ein Karatekämpfer, der eine Räuberbande in die Flucht schlägt, schlug ich wild um mich. Nachdem die Plagegeister vertrieben waren, hüllte ich mich blitzschnell in eine Wolke aus Zitrusspray. Das sollte die Plagegeister vorerst fernhalten. Mit Erfolg, der Zitrusduft verdarb den hungrigen Insekten den Appetit auf den Wandersmann. Mit stolzer Heldenbrust machte ich mich auf den Weg.

Schon nach wenigen hundert Metern führte der Waldweg über eine alte Bruchsteinbrücke über die Nidda. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir einen Überblick über den Bachlauf zu verschaffen. Der Wasserstand war niedriger als erwartet. Abgelagertes Schwemmholz bildete kleine Dämme, in denen sich das klare Wasser sammelte. An anderen Stellen plätscherte die Nidda über moosbewachsene Basaltfelsen. Ich suchte noch eine Weile nach Fotomotiven, bevor ich meine Wanderung fortsetzte.

Die alte Brücke aus Brucksteinen über die Nidda
Eine abgestorbene Rotbuche im Bannwald an der Nidda

Kaltes Quellwasser, wo einst glühende Lava floss

Links die Nidda als naturbelassener Gebirgsbach, rechts der urwüchsige Bannwald und mittendrin ich, der begeisterte Wanderer, den die Wildnis in ihren Bann gezogen hatte. Ich wanderte durch ein Naturwaldreservat mitten in einem der niederschlagsreichsten Gebiete Hessens. Seit 1989 wird dieser Wald nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. So konnte sich im rauen Berglandklima über Jahrzehnte ein natürlicher Lebensraum entwickeln.

Alte Rotbuchen, Eschen und Bergahorne unterlagen hier einem natürlichen Lebenszyklus. Umgefallene Bäume blieben kreuz und quer im dichten Unterholz liegen. Ihr Totholz bildete die Lebensgrundlage für zahlreiche Insekten, Pilze und eine artenreiche Bodenvegetation. Ich war begeistert von dieser Wildnis und der natürlichen Artenvielfalt. Vorbei an riesigen Douglasien verließ ich an einer Weggabelung zunächst die Nidda.

Wanderung zur Niddaquelle durch naturbelassenen Wald

Gestorben für einen Neuanfang

Der steile Weg führte mich in einen Fichtenforst oberhalb des Bannwaldes. Hier standen abgestorbene Fichten nebeneinander wie Grabdenkmäler auf einem Friedhof. Ein trauriger Anblick, doch bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass am Fuße der abgestorbenen Nadelbäume wieder ein junger, artenreicher Mischwald heranwächst.

Durch die abgestorbenen Fichten drangen mehr Niederschläge und Sonnenlicht auf den Waldboden. Die kahlen Äste spendeten gerade so viel Schatten, dass sich der Waldboden durch die Sonneneinstrahlung nicht zu stark aufheizte. Die abgestorbenen Wurzeln schützten den Boden weiterhin vor Erosion durch Wind und Regen. So entstanden neue Lebensbedingungen, die viele Pionierpflanzen, Pilze und Flechten zur Besiedlung nutzten.

Abgestorbene Fichten nahe der Nidda im VogelsbergJunge Fichten und Farne wachsen auf dem Totholz abgestorbener Fichten im Naturpark Vogelsberg

Linie zur Seite ziehen

Die nächste Station auf meiner Wanderung zur Niddaquelle war der Gackerstein. Das ist eine langgestreckte Erhebung vulkanischen Ursprungs auf 663 m NHN. Auf dem Gipfel stand ein hölzernes Gipfelkreuz mit der passenden Inschrift: „Dem Himmel so nah“. Dieses erhabene Gefühl wollte ich auskosten und setzte mich für eine Rast auf die Holzbank vor dem Kreuz.

Vom Gackerstein genoss ich den weiten Blick über die Vogelsberger Landschaft. Ich blickte hinüber zum Hoherodskopf mit seinem markanten Funkturm und den gut besuchten Gaststätten. In die andere Richtung blickte ich über die Skyline von Frankfurt am Main bis zu den Höhen des Taunus.

Ich dachte an das hektische Leben in der Großstadt und war dankbar für die wohltuende Ruhe, die ich in diesem Glücksmoment auf dem Gackerstein gefunden hatte. Ich war eins mit der Natur und wollte dieses Gefühl gegen nichts auf der Welt eintauschen.

Blick auf den Hoherodskopf im Naturpark Hoher Vogelsberg

Ein Swingerclub für Krabbeltiere

Ich wanderte weiter, vorbei an blühenden Wiesen mit duftenden Margeriten und anderen Wildblumen. Gespannt hielt ich Ausschau nach seltenen Insekten, denn die kleinen Krabbeltiere gehören zu meinen liebsten Fotomotiven. Neben verschiedenen Schmetterlingsarten entdeckte ich Blattwespen, Bockkäfer, Rüsselkäfer und viele andere Arten.

Frank Kaiser erkundet Flora und Fauna des Vogelsberges

Eine Käferart war besonders häufig anzutreffen: der Gartenlaubkäfer. Es war seine Paarungszeit. Die liebestollen Käferchen flogen ziellos umher. Einzelne Exemplare krabbelten auf meine Schultern und benutzten mich als Laufsteg für ihre Partnersuche. Dabei ließen sie sich gerne ein Stück weit von mir tragen, ehe sie wieder davonflogen. Immer wieder sah ich Käfer, die paarweise oder in Gruppen liebestoll übereinander kletterten. Dazu nutzten sie bevorzugt die duftenden Hundsrosen am Rande der Wiesen. Es ging zu wie in einem Swingerclub für Krabbeltiere und wieder war ich mittendrin.

Gartenlaufkäfer auf der Blüte einer Hundsrose

Nach einer Weile auf der sonnigen Wiese ging ich weiter durch einen schattigen Buchenmischwald mit vielen umgestürzten Bäumen. Es folgte ein schattiges Waldstück mit großen alten Fichten, die erstaunlich gesund aussahen. Diesen Ort schätzten wohl auch die Wildschweine für ihr geliebtes Schlammbad gegen die lästigen Parasiten auf der Haut. Ich entdeckte einige gut besuchte Suhlen, die die Borstentiere im Schutz der Nacht mit ihren kräftigen Rüsseln aufgewühlt hatten. Schließlich erreichte ich den Waldrand unterhalb des Naturschutzgebietes Oberes Niddatal und Forellenteiche.

Wanderung zur Niddaquelle vorbei an saftig grünen Wiesen

Spinatgrüne Feuchtwiesen voller Leben

Wow! Ich trat aus dem Wald und stand begeistert vor einer spinatgrünen Feuchtwiese voller Leben. Sie war geschmückt mit der Farbenpracht unzähliger Wildblumen: Bachnelkenwurz, Kratzdistel, Storchschnabel, Teufelskralle, Trollblume, Glockenblume, Wiesenwitwenblume und viele mehr. In den schattigen Bereichen wuchsen feuchtigkeitsliebende Pflanzen mit großen, dicken Blättern. In den sonnigen Abschnitten dagegen fanden wärmeliebende Arten mit filigranen Blättern und dünnen Stängeln einen optimalen Lebensraum.

Die Wiesen waren ein Schlaraffenland für Insekten und Naturliebhaber, an dem wohl auch der Naturforscher Charles Darwin seine Freude gehabt hätte. Irgendwo durch diesen hüfthohen Mini-Dschungel schlängelte sich als kleiner Wiesenbach die junge Nidda. Apropos Nidda: Vor lauter Entdeckerfreude hätte ich fast das Ziel meiner heutigen Wanderung vergessen.

Oberer Forellenteich im Geopark Vulkanregion Vogelsberg

Bettelkarpfen statt Regenforellen

Denkst du bei Forellenteichen an kristallklare Bergseen, in denen regenbogenfarbene Forellen munter nach Insekten jagen? Wenn ja, kannst du den Vorhang vor deinem geistigen Auge gleich wieder zuziehen. Die Forellenteiche wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts von findigen Holzfällern als Flößerteiche angelegt. Erst viele Jahre später wurden sie als Fischteiche genutzt und später wieder aufgegeben. Heute sind sie streng geschützte Biotope im Naturschutzgebiet. Sie sind durch die Nidda miteinander verbunden und liegen im oberen Bereich der Feuchtwiesen.

Entlang des oberen Forellenteiches verläuft der Wanderweg Vogelsberger Höhenrundweg. Dementsprechend waren hier mehr Spaziergänger unterwegs als auf meiner bisherigen Route. Die prächtigen Schuppenkarpfen im trüben Wasser, von mir liebevoll Bettelkarpfen genannt, freuten sich über die Besucher am Ufer. Mit weit geöffnetem Maul schwammen die Fische schmatzend auf die Menschen zu und bettelten um Leckerbissen, die ihnen wohl so mancher Spaziergänger anbot.

Auf der gegenüberliegenden Uferseite erstreckte sich ein lichter Nadelwald mit vorgelagerten Erlen und Gebüschen aller Art. Die Ufervegetation war geprägt von dichtem Schilf, Sumpfschwertlilien und Teichschachtelhalm, der weite Bereiche der Flachwasserzone einnahm. Zahlreiche Libellen patrouillierten entlang der Ufer, überall tanzten Schmetterlinge und Insekten summten in den bunten Wildblumen.

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Das Geheimnis der Niddaquelle

Mein Entdeckergeist ließ mich die Wanderung zur Niddaquelle bisher im Bummelmodus absolvieren, was meine Achtsamkeit umso mehr schärfte. Auf der nächsten Etappe führte ein ebener, geschotterter Waldweg durch einen wenig interessanten Fichtenforst. Ich nutzte die Gelegenheit zu einer Gehmeditation, bei der ich meine Aufmerksamkeit nach innen lenken konnte, um Körper und Geist in Einklang zu bringen. Die Zeit verging schneller als gedacht. Schon näherte ich mich dem Parkplatz Niddaquelle, überquerte die Ringstraße und verschwand sogleich im angrenzenden Mischwald. Ich kam an einem ausgedehnten Hochmoor vorbei. Gegenüber floss die Nidda als kleines Rinnsal durch den Wald. Nach kurzer Zeit erreichte ich eine Holzhütte, neben der ein Schild mit der Aufschrift „Niddaquelle” stand.

Die offizielle Niddaquelle im Vogelsberg
Frank Kaiser im Naturpark Hoher Vogelsberg

Nun die Preisfrage: Kommt das Bächlein wirklich an dieser Stelle aus der Erde? Wir gehen der Sache auf den Grund. Einige hundert Meter weiter stieß ich auf den Landgrafenborn. Hier sprudelte zum ersten Mal sichtbar ein kleines Rinnsal aus einem kurzen Metallrohr. Ob hier die Nidda das Licht der Welt erblickt?

Um es vorweg zu nehmen, auch das war nicht die Quelle, aber ich war auf der richtigen Spur. Hinter dem Landgrafenborn erstreckte sich eine kleine Hochmoorfläche auf etwa 720 m NHN. Hier lag das eigentliche Quellgebiet der Nidda, deren Wasser an mehreren Stellen aus dem Boden trat. Ich genoss einige Schlucke des klaren Quellwassers aus dem Landgrafenborn, eine geschenkte Kostbarkeit des Vogelsberges, das herrlich erfrischend schmeckte.

Hindernisse führen oft zu besseren Pfaden

Nachdem ich das Tagesziel meiner Wanderung erreicht hatte, war es Zeit für den Rückweg. Zunächst folgte ich weiter dem Vogelsberger Höhenrundweg durch den urwüchsigen Wald, überquerte den Ellersbach und kam an der Breungeshainer Heide vorbei. Dann verließ ich den Wanderweg und folgte einem schmalen Pfad durch ein besonders schönes Waldstück.

Bald war ich wieder bei den Forellenteichen. Noch einmal ging ich an der spinatgrünen Feuchtwiese entlang und durch das Waldstück mit den alten Fichten und den Wildschweinsuhlen. Dann wählte ich einen Weg zurück nach Rudingshain, der mir durch mehrere umgestürzte Buchen versperrt war.

Ich wog kurz meine Möglichkeiten ab. Sich wie ein Biber durch die Stämme zu beißen, schien mir viel zu zeitaufwendig, also kletterte ich mit der Geschicklichkeit eines Berggorillas über die umgestürzten Buchen hinweg. Zu meiner Freude benutzte außer mir niemand den schmalen Pfad durch das Dickicht. So war ich nur von der Kulisse des Waldes umgeben und konnte mich noch tiefer mit der Natur verbinden.

Wanderung zur Niddaquelle über schmale Pfade

Auf den letzten Kilometern zum Auto traf ich niemanden mehr. Selbst die hungrigen Stechfliegen schienen sich anderen Aufgaben zu widmen. Ich hatte sowieso keine Lust, mich mit Handschlag von den aggressiven Plagegeistern zu verabschieden.

Nach einem mehrstündigen Fußmarsch kehrte ich glücklich und zufrieden zum Waldparkplatz zurück. Ich setzte mich ins Auto und fuhr dankbar und entspannt nach Hause, wo ich meinem Schatzi bei Kaffee und Kuchen von den magischen Momenten meiner Wanderung zur Niddaquelle erzählte.

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Lebe naturnah – lebe glücklich.
Frank Kaiser

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Bildquelle: Privat

2024-09-04T13:38:55+02:00
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