Karwendel: Vom Gipfelglück zur Blasenpein – Wanderung durch das Dammkar nach Mittenwald

Karwendel: Vom Gipfelglück zur Blasenpein – Wanderung durch das Dammkar nach Mittenwald

Bepackt wie die Sherpas im Basislager des Mount Everest stand ich mit Andrea auf dem Parkplatz in Mittenwald, direkt neben der türkis schimmernden Isar. Vor uns lag das steil aufragende Karwendelgebirge. Die Köpfe weit in den Nacken gelegt, blickten wir hinauf zur Bergstation der Karwendelbahn. Das weiße Gebäude der zweithöchsten Bergbahn Deutschlands sollte unser erstes Etappenziel werden. Auf 2244 Metern über dem Meeresspiegel wirkte es bestenfalls wie ein Bauklötzchen, den ein Kind nach dem Spielen vergessen hatte. Hündin Paula interessierte die Aussicht herzlich wenig. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit galt allein den »Pinkelbotschaften« ihrer bayerischen Artgenossen. Sie konnte nicht ahnen, was uns an diesem heißen Augusttag erwartete.

Inhalt:

Am Vortag waren wir eher zufällig mit dem Wohnmobil angereist. Auf unserer Tour entlang der Deutschen Alpenstraße fiel uns das imposante Bergmassiv des Karwendels auf. Spontan entschlossen wir uns, Mittenwald als Domizil für unser nächstes Abenteuer zu wählen. An der Talstation der Karwendelbahn holten wir uns touristische Informationen. Beim Abendessen überlegten wir, wie wir unseren ersten Tag im Karwendel verbringen wollten. Die Wahl fiel auf eine Bergtour durch das Dammkar. Das Dammkar gilt unter Wintersportlern als die längste Freeride-Piste Deutschlands mit einer Länge von ca. 7 km. Es versprach ein aufregendes Abenteuer zu werden.

Talstation der Karwendelbahn in Mittenwald
Die Karwendelbahn über Mittenwald auf der Fahrt zur Karwendelspitze

Auffahrt auf die Karwendelspitze mit der Karwendelbahn

Die Morgensonne schien bereits vom blauen Himmel über den Bergen. Der Wetterdienst meldete bestes Sommerwetter mit Temperaturen über 30 Grad. Was in der Stadt unerträglich schien, versprach ideale Bedingungen für unser Hochgebirgsabenteuer. Gespannt machten wir uns auf den Weg zur Bergbahn. Für Hündin Paula sollte es die erste Seilbahnfahrt ihres Lebens werden. Kein Wunder, dass sie ganz schön aufgeregt war. Gleich die erste Gondel brachte uns hinauf zur Bergstation. Während der zehnminütigen Fahrt ruckelte die Gondel an ihrem dicken Stahlseil und mit jedem Höhenmeter schrumpften die Häuser von Mittenwald unter uns auf Miniaturgröße. Um uns herum öffnete sich der Blick auf die imposante Bergwelt. Nach 1311 m NHN erreichten wir die Bergstation am Rande der mittleren Karwendelgrube unterhalb der westlichen Karwendelspitze. Hier befindet sich auch das Naturinformationszentrum, das in Form eines überdimensionalen Fernrohrs die Abbruchkante der Karwendelgrube überragt.

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Herrliche Aussicht auf die Berg- und Tallandschaft

Von der Bergstation ging es zu Fuß auf dem Passamani Panoramaweg hinauf zum oberen Rand der »Karwendelgrube« auf ca. 2300 m NHN. Hier verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Holzbänke luden zum Verweilen ein. Der Passamani Panoramaweg eröffnete uns einen atemberaubenden Blick auf die Hochgebirgslandschaft des Karwendels und des Wettersteingebirges bis hin zur Zugspitze, dem höchsten Berg Deutschlands. Unten im Tal schimmerten die Isar und waldumsäumte Bergseen türkisblau. Wir ließen die herrlichen Eindrücke eine Weile auf uns wirken, bevor wir unseren Weg zum Dammkar fortsetzten.

Auf einer Länge von 430 m sprengten die Mittenwälder einen Bergtunnel von der »Westlichen Karwendelspitze« zum »Südlichen Karwendelkopf«, um eine sichere Verbindung für den Wintersport zu schaffen. Auch wir mussten durch diesen dunklen Tunnel gehen. Während draußen angenehme 16 Grad herrschten, präsentierte sich das Innere des Berges als nasskaltes Kühlhaus. Überall tropfte Sickerwasser aus den Felswänden. Gänsehaut überzog unsere sommerlich gekleideten Körper. Doch trotz der Kälte im Berg empfanden wir die Durchquerung als ein weiteres kleines Abenteuer, für das wir uns die nötige Zeit nahmen. Nach einer Weile traten wir aus dem Holzverschlag am anderen Ende des Tunnels, wo uns das grelle Sonnenlicht empfing. Durch die Dunkelheit im Tunnel dauerte es einen Moment, bis sich unsere Augen wieder an das Sonnenlicht gewöhnt hatten. Als wir dann die Landschaft klar erkennen konnten, stockte uns der Atem.

Der Ausgang des Verbindungstunnels von der Westlichen Karwendelspitze zum Südlichen Karwendelkopf
Der Autor wandert mit Frau und Hund im Dammkar

Eine Landschaft wie von einem fremden Planeten

Vor uns öffnet sich das Dammkar. Eingebettet in gewaltige Felswände schieben sich hier unvorstellbare Mengen an Gestein und Geröll in das Tal hinab. . Manchmal hörten wir Steine von den hohen Felswänden fallen. Da wurde uns klar, dass die Entstehung dieser Landschaft ein ständiger Prozess ist. Deshalb hielten wir einen sicheren Abstand zu den Felswänden. An schattigen Stellen sahen wir selbst im August noch vereinzelte Schneefelder. Auf dem felsigen Untergrund gedieh nur an wenigen Stellen eine spärliche Vegetation. Wir führten dies auf die hohe Wasserdurchlässigkeit des Gesteins und den Nährstoffmangel zurück. Die Szenerie im Dammkar wirkte wie eine Landschaft von einem fremden Planeten und wir zwei Abenteurer waren mittendrin. Wir empfanden große Ehrfurcht vor der schöpferischen Kraft der Natur. Auch Hündin Paula war sichtlich beeindruckt. So etwas hatten wir alle drei noch nie erlebt.

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Der Abstieg durch das Dammkar erwies sich als körperliche und mentale Herausforderung. Vom oberen Ende des Passamani-Panoramaweges bis hinunter zum Wohnmobil mussten wir auf einer Strecke von ca. 9 km fast 1500 Höhenmeter mit einem Gefälle von teilweise 40 % überwinden. Bei jedem Schritt rutschte das Geröll unter den Füßen weg. Wir mussten jeden Schritt sorgfältig wählen, um nicht auf die scharfkantigen Steine zu fallen. Ich spürte, wie meine Zehen gegen die Schuhspitzen drückten. Das verhieß nichts Gutes. Unsere Beine schmerzten von der ungewohnten Belastung und auch Paula hätte sich sicher einen anderen Untergrund für ihre Pfoten gewünscht. Die Sonne brannte auf uns herab. Je tiefer wir in das Dammkar hinabstiegen, desto höher stiegen die Temperaturen. Ab und zu hielten wir an, um die natürliche Schönheit der schroffen Berglandschaft auf uns wirken zu lassen. In 1650 m Höhe erreichten wir schließlich die Dammkarhütte. Dort genossen wir die Bewirtung und stärkten uns mit einer erfrischenden Johannisbeerschorle und einem kleinen Imbiss für die letzten Kilometer ins Tal.

Inzwischen hatte die Sonne ihren höchsten Stand erreicht und schien es zu genießen, uns die Johannisbeerschorle wieder durch die Schweißdrüsen zu quetschen. Zum Glück nahm die Vegetation unterhalb der Dammkarhütte deutlich zu. Zuerst ging es durch lichten Latschenbewuchs. Dann folgten die ersten Nadelbäume und schließlich der ersehnte schattige Mischwald. Inzwischen taten uns die Beine, Füße und Pfoten sehr weh. Die Anstrengung steckte uns dreien in den Knochen. Nach einer letzten Rast mobilisierten wir unsere restlichen Kräfte für die letzte Etappe unserer Bergtour.

Schmerz und Erschöpfung machen Platz für Glücksgefühle

Endlich erreichten wir erschöpft unser Wohnmobil auf dem Parkplatz an der Isar. Zum Glück hatte ich es im Schatten unter einem Baum geparkt, so dass es im Inneren trotz der sommerlichen Hitze angenehm kühl war. Etwas mehr Kühle hätte ich mir für meine brennenden Füße gewünscht. Neugierig zog ich meine Wanderstiefel und Socken aus. Dann begann ich zu zählen. 7 prall gefüllte Blasen zierten meine Füße wie die Warzen das Gesicht einer Hexe aus Grimms Märchen. Amüsiert präsentierte ich meine neuen »Souvenirs« Andrea, die zum Glück keine Blessuren davongetragen hatte. Paula legte sich nach einer Stärkung sofort auf ihren Schlafplatz unter dem Tisch. Sie hatte sich ihre Ruhepause redlich verdient. Denn unsere treue Hündin hatte Außergewöhnliches geleistet und war damit an ihre Belastungsgrenze gekommen.

Am späten Nachmittag saßen Andrea und ich zusammen und ließen den Tag Revue passieren. Trotz Muskelkater und schmerzenden Beinen waren wir überglücklich über die tollen Erlebnisse, die wir auf dieser anspruchsvollen Bergtour hatten. Wir waren stolz darauf, dass wir bis auf meine Blasensammlung unverletzt geblieben waren. Die Natur hat uns abermals mit ihrer wilden Schönheit tief beeindruckt und die Erfahrungen, die wir im Dammkar machen durften, haben uns gezeigt, zu welchen Leistungen wir fähig sind.

Dieses Abenteuer hat uns nicht nur körperlich, sondern auch mental gestärkt. Es hat uns gelehrt, dass wir Grenzen überwinden und unvorhersehbare Herausforderungen meistern können, wenn wir den Mut haben, uns ihnen zu stellen. Es hat uns gezeigt, dass die Natur uns immer wieder das Beste abverlangt, uns aber auch mit allen Fähigkeiten ausgestattet hat, die wir für ein solches Abenteuer brauchen. Die Schmerzen und Wunden waren schnell verflogen, aber die Erinnerungen an diesen besonderen Tag im Karwendel werden wir noch lange in unseren Herzen tragen.

Lebe naturnah – lebe glücklich.
Frank Kaiser

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Bildquelle: Privat

2024-10-09T15:15:31+02:00
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