Karwendel: Mit dem Wohnmobil durch die Wildflusslandschaft Isartal – 100% Natur pur
Als Kanäle, Schifffahrtsstraßen oder Abwasserkanäle - geprägt durch die Industrialisierung - bieten unsere Fließgewässer heute ein trauriges Bild. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das Wasser der Flüsse die Lebensgrundlage für die Menschen war, die an ihren Ufern siedelten. Wie mögen die Flüsse damals ausgesehen haben? Gibt es heute noch natürliche Flüsse in Deutschland? Antworten auf diese Fragen fand ich in Oberbayern, an der Isar zwischen Wallgau und dem Sylvensteinspeicher bei Lenggries.
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Wildflusslandschaft Isartal - eine der letzten ihrer Art
Ich war mit Andrea und unserer Hündin Paula im Wohnmobil auf der Deutschen Alpenstraße unterwegs. In Mittenwald machten wir einen mehrtägigen Zwischenstopp für Exkursionen in den naturnahen Lebensraum der Bergregion Karwendel. Bei der Zielrecherche vor Ort stießen wir auf Informationen zur Wildflusslandschaft Isartal. Zwischen Wallgau und Vorderriß gäbe es eine Verbindungsstraße entlang der Isar mit einzigartigen Einblicken in eine natürliche Flusslandschaft. Genau das Richtige für drei Abenteurer im Entdeckermodus. Also machten wir uns auf den Weg nach Wallgau.
Mit dem Wohnmobil in die Wildflusslandschaft Isartal
Wir hielten an der Schranke der Mautstelle, wo ein freundlicher Herr eine kleine Maut für die Benutzung der Verbindungsstraße kassierte. Er erklärte uns, was wir als Touristen zu beachten hätten. Unter anderem galt ein Parkverbot außerhalb der ausgewiesenen Parkplätze und ein Übernachtungsverbot auf allen Flächen. Das gesamte Gebiet sollte bis 22:00 Uhr verlassen werden. Die Einhaltung der Regeln wurde regelmäßig von Rangern kontrolliert.
Was sich für manche Touristen nach strengen Einschränkungen anhört, macht für uns durchaus Sinn. Denn die Wildflusslandschaft Isartal ist auf einer Länge von 16 km Lebensraum für vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Außerdem ist die Landschaft ein überregional wertvolles Naturschutzgebiet und sie zählt zu den schönsten Geotopen Bayerns. Deshalb ist das Isartal bei schönem Wetter ein beliebtes Ausflugsziel für viele Besucher. Gespannt auf das, was wir entdecken würden, setzten wir unsere Fahrt auf der von Wäldern gesäumten Mautstraße fort.
Nach einer Weile fuhren wir auf einen Schotterparkplatz. Außer uns parkte dort niemand. Für uns waren das ideale Voraussetzungen, um mit allen Sinnen in die Natur einzutauchen. Nach einem kurzen Weg auf einem schmalen Pfad öffnete sich der Blick auf die wunderschöne Isarauen. Die Natur hat hier eine Flusslandschaft geschaffen, wie wir sie noch nie gesehen haben.
Eingerahmt von sattgrünen Auenwäldern tat sich vor uns ein riesiges Geröllfeld aus bunten Kieselsteinen auf. Vom Felsbrocken bis zum feinen Sandkorn lagen die Steine in allen Größen herum. Am gegenüberliegenden Ufer ragten die Berge des Isarwinkels in den wolkenverhangenen Himmel. Ein leichter Wind trieb die Nebelschwaden vor sich her, die immer neue Formen annahmen. Eine wohltuende Ruhe lag über der Landschaft und inmitten dieser atemberaubenden Naturkulisse schlängelte sich die Isar leise plätschernd dahin.
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Die Isar präsentiert sich an diesem Augusttag in einem herrlichen Türkisblau. Unterbrochen von Kiesbänken und stehendem Altwasser ergießt sich das kristallklare Wasser in das Hauptgerinne und die zahlreichen Nebenarme. In einigen tief ausgespülten Gumpen konnten wir stattliche Bachsaiblinge beobachten, die im kalten Wasser fast bewegungslos auf angeschwemmte Beute lauerten. An den Prallhängen des Ufers und auf einigen Kiesinseln gedeihen zarte Pionierpflanzen. Hier brüten auch sehr seltene Vogelarten wie der Flussregenpfeifer. Zu ihrem Schutz dürfen die Kiesbänke von Mitte April bis Ende Juli nicht betreten werden.
Das gut getarnte Gelege des Flussregenpfeiffers ist im Flusskies schwer zu entdecken.
Ein von der Natur geschaffenes Paradies
1924 wurde am nahe gelegenen Walchensee ein Wasserkraftwerk in Betrieb genommen. Obwohl ein großer Teil des Isarwassers zur Stromerzeugung in den Walchensee umgeleitet wird, hat die Isar noch immer die Fähigkeit, die Flusslandschaft dramatisch zu verändern. Terrassentreppen im Flussbett, steile Prallhänge an den Ufern, entwurzelte Bäume und große Schwemmholzmengen zeugen von der enormen Kraft des Isarwassers. Starke Regenfälle oder eine rasche Schneeschmelze in den Bergen lassen die malerische Isar zu einem reißenden, trüben Fluss anschwellen. Die Wassermassen transportieren dann unvorstellbare Mengen an Kies und Geröll flussabwärts, um sie an anderer Stelle wieder abzulagern. Ganze Baumbestände werden umgerissen. Durch solche Ereignisse verlagert die Isar seit Jahrtausenden immer wieder ihren Lauf.
Nach der Erkundung des Isartals verließen wir zunächst die Mautstraße bei Vorderriß. Schließlich wollten wir noch den Sylvensteinsee sehen. Dieser Stausee markiert das östliche Ende der Wildflusslandschaft Isartal. Auf der Fahrt zum Sylvensteinsee hatten wir noch einen guten Blick auf einen besonders breiten Abschnitt der Flussaue. Einsetzender Regen verkürzte unseren Aufenthalt am Stausee und so fuhren wir nach einem kurzen Fotostopp über die Mautstraße zurück in Richtung Wallgau. Aus dem Schauer war inzwischen ein Gewitter geworden. Dicke Regentropfen prasselten auf das Fahrzeugdach und die umliegenden Berge verstärkten durch Schallreflexion das Donnergrollen. Ein weiterer Aufenthalt an der Isar erschien uns unter diesen Bedingungen nicht empfehlenswert. So schenkte uns Mutter Natur die Gelegenheit, im gemütlichen Wohnmobil eine Tasse leckeren Kaffee zu trinken. Dazu fuhren wir wieder auf einen kleinen Parkplatz.
Während das Gewitter über unseren Köpfen tobte, klopfte es plötzlich an der Tür des Wohnmobils. Ein Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten fühlte sich bemüßigt, uns freundlich auf das nächtliche Aufenthaltsverbot hinzuweisen. Wir versprachen dem Förster, uns an das Verbot zu halten, worauf sich der Herr zufrieden verabschiedete und mit seinem Auto davonfuhr. Wir waren angenehm überrascht, wie ernst der Schutz dieser einzigartigen Landschaft genommen wird. Zweifellos wären ohne diese Kontrollen Schäden durch die vielen Besucher vorprogrammiert.
Der freie Lauf der Naturgewalten
Auf der Rückfahrt über Wallgau nach Mittenwald konnten wir immer wieder einen Blick aus dem Fahrzeug auf die Isar werfen. Wir waren erstaunt, in welch kurzer Zeit der Fluss sein Aussehen dramatisch verändert hatte. Der Gewitterregen hatte den Pegel deutlich ansteigen lassen. Vom türkisblauen Wasser war nichts mehr zu sehen. Die Sedimente hatten es in eine milchig-trübe Brühe verwandelt, die sich ungehindert ihren Weg durch das breite Flussbett bahnte. Wieder einmal bestimmten die Naturgewalten den Lauf der Isar durch die Wildflusslandschaft Isartal.
Auch diesen romantischen See haben wir auf unserer Isartour erkundet.
Am Ende des Tages habe ich die Antworten auf die eingangs gestellten Fragen gefunden. Auch die wunderschöne Wildflusslandschaft des Isartals ist vom Menschen beeinflusst. Durch die Ableitung von Isarwasser in den Walchensee hat der Mensch in die natürlichen Abläufe eingegriffen. Trotzdem ist der natürliche Charakter der Wildflusslandschaft erhalten geblieben. Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie die Flussläufe in der Region zu Beginn der menschlichen Siedlungsgeschichte ausgesehen haben könnten. Schade, dass es solche Flusslandschaften kaum noch gibt.
Für Andrea und mich war die Erkundung des Isartals ein unvergleichliches Abenteuer, verbunden mit tiefer Bewunderung für die Schönheit der Natur. In der Abgeschiedenheit der Wildflusslandschaft kamen wir zur völligen Ruhe und erlebten das große Glück der Anspruchslosigkeit im Augenblick des Seins.
Lebe naturnah – lebe glücklich.
Frank Kaiser